Angermünde – Sobald die tief stehende Sonne es ein wenig durch die Wolken schafft und die goldgelben Blätter zum Leuchten bringt, darf Wanderführer Hesse schweigen. Dann zücken seine Gäste Kamera oder Smartphone.
Jan Hesse hat Zeit. Mehr als drei Stunden für eine Strecke von nicht mal sieben Kilometern – da ist sogar noch die Kaffeepause drin, Fotosessions und Fragen sowieso.
«Was bedeutet der Name Grumsin?», will eine Besucherin aus Berlin wissen. Das ist so ziemlich die einzige Frage, bei der Hesse passen muss, obwohl sie bei fast jeder Führung, die der Natur- und Landschaftspfleger im Auftrag des Naturschutzbundes (Nabu) macht, auftaucht: «Ich habe in all den Archiven und Bibliotheken, die ich dazu befragt habe, keine Erklärung gefunden.»
Fest steht, dass die kleine Siedlung Grumsin einst an einem viele Kilometer langen Zaun entstand und nur eine einzige Funktion hatte: die Instandhaltung eben dieses Zaunes, der ein kurfürstliches Jagdgebiet schützen sollte. Auch in der DDR gehörte der Wald zu einem ausgedehnten Staatsjagdgebiet.
Und das hatte sein Gutes: Man nutzte ihn forstwirtschaftlich kaum und entfernte nur selten junge Buchen, um freie Sicht auf das Wild zu bekommen. Nach 1989 blieb dann in einer Kernzone jegliche Baumentnahme aus und der Wald sich selbst überlassen. Wie es sich auf der Grenze zum Wildwuchs wandert, davon machen sich an diesem Herbstsonntag rund 20 Besucher ein Bild.
Auf der Freizeitkarte
Angermünde ist der Weg als «Urwaldpfad» ausgewiesen, aber Hesse macht unterwegs deutlich, dass man von einem Urwald noch weit entfernt ist: «Der Grumsin ist ein Zwischending zwischen Wirtschafts- und Naturwald. Wir sind erst auf dem Weg und wir brauchen einen langen Atem.»
Wer sich wirklich ein Bild machen will, wie Deutschland aussähe, hätte der Mensch nicht eingegriffen, sollte in die Karpaten reisen, deren Rotbuchenwälder schon länger zum Weltnaturerbe zählen. Aber so weit können und wollen die Besucher nicht fahren. Die meisten kommen aus dem 90 Kilometer entfernten Berlin. Wenn sie unterwegs mächtige entwurzelte Bäume oder vom Zunderschwamm zersetzte Stümpfe entdecken, ist das schon Urwald-Feeling genug.
«Wenn Sie jetzt nach Hause fahren, können Sie sagen, Sie standen am höchstgelegenen See Brandenburgs», sagt Jan Hesse und zeigt von einer Anhöhe auf den Schwarzen See. Ein magischer Ort aus Sumpf, Moos und Totholz, finden die Gäste und würden gern noch verweilen, als der «Urwaldpfad» kurz darauf in eine offene Heckenlandschaft überführt – wie eng doch Natur und Kultur miteinander verwoben sind!
Buchenwald Grumsin
Anreise: Mit dem Regionalzug nach Angermünde, dann per Bus (Linie 496, «Biber-Bus», April bis Oktober stündlich) oder Taxi etwa neun Kilometer nach Altkünkendorf oder Groß-Ziethen, wo Informationszentren gratis über die eiszeitliche Vergangenheit und den Buchenwald informieren. Man kann aber auch von den Ortschaften Zuchenberg oder Luisenfelde gut in den Wald einsteigen.
Besonderheiten: Der Grumsin gehört zu einer Naturschutzfläche im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, die als der weltweit größte noch zusammenhängende Tieflandbuchenwald gilt.
Informationen und Führungen: Das Nabu Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle ist das Hauptinformationszentrum über das Biosphärenreservat insgesamt, es bietet Umweltbildung auf einem Freigelände und in einer Ausstellung, Blumberger Mühle 2, 16278 Angermünde, Tel.: 03331/260 40
Tourismusverein Angermünde, Brüderstraße 20, 16278 Angermünde, Tel.: 03331/29 76 60.
Fotocredits: Deike Uhtenwoldt,Deike Uhtenwoldt,Deike Uhtenwoldt,Steffen Lehmann,Deike Uhtenwoldt,Klaus Pape,Klaus Pape
(dpa/tmn)